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Trockener Mund vom Rotwein? Die Tannine sind die Ursache!

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von Anne Krebiehl MW

/ Wine Enthusiast

Trockener Mund vom Rotwein? Die Tannine sind die Ursache!

Was sind Tannine wirklich?

 

Tannine, eine Kombination aus bitteren und adstringierenden Komponenten, sind pflanzliche Gerbstoffe und kommen reichlich in der Natur vor. Man findet sie in Holz, Rinde, Blättern, in Früchten sowie in unterschiedlichen Pflanzen wie Eiche, Rhabarber, Tee, Walnuss, Preiselbeere, Kakao und Trauben.

 

Aber am wichtigsten ist natürlich, dass sie auch in Wein vorhanden sind.

Peaux de raisin et résidus, également connus sous le nom de marc, extrait d'une cuve en inox d'un domaine après extraction du jus.

Was sind eigentlich Tannine?

Pflanzen besitzen Tannine, um sich selbst ungenießbar zu machen. Ihr Zweck in der Natur ist es, Tiere davon abzuhalten, die Früchte oder Samen einer Pflanze zu essen, bevor diese reif ist.

 

Tannine sind für das herbe Gefühl im Mund verantwortlich, dass man bekommt, wenn man in eine unreife Birne oder Pflaume beißt. Der Mensch verwendet seit langen Gerbstoffen aus verschiedenen Baumrinden, um Tierhäute zu gerben und Leder herzustellen.

 

Aber es gibt auch Lebensmittel, die gerade wegen ihrer Gerbstoffe sehr geschätzt werden. Ihre Bitterkeit und Adstringens können, wenn sie gut verarbeitet wurden, ziemlich angenehm sein. Beispiele dafür sind Tee, Kaffee, dunkle Schokolade und natürlich Wein.

 

Woher kommen die Tannine im Wein?

Tannine können aus vier Hauptquellen stammen, den Schalen, Kernen (Samen), Stielen der Trauben und den Holzfässern, die während der Reifung verwendet wurden. Sie verleihen dem Wein Textur, aber auch ein Gefühl von Stärke und Struktur.

 

Während Weißwein hauptsächlich aus gepresstem Traubensaft gewonnen wird, wird Rotwein aus der gesamten Traube hergestellt. Während der Rotwein fermentiert, werden Schale, Kerne, Saft und manchmal auch Stiele gemeinsam mazeriert. Während dieses Prozesses werden sowohl Farbe als auch Tannin in den Wein ausgelaugt. Tannine erzeugen das trockene Gefühl im Mund, wenn Sie einen Rotwein trinken.

 

< Traubenschalen und -rückstände, auch Trester genannt, die nach der Entsaftung aus dem Edelstahlfass eines Weinguts gekippt werden.

Wie beschreibt man Tannine?

Es ist wichtig, zwischen der Qualität und der Quantität der Tannine zu unterscheiden.

 

Die Konsistenz ist nützlich, um die Qualität der Tannine zu charakterisieren. So können diese als seidig, plüschig oder samtig beschrieben werden. Wenn ein Wein eine angenehme Menge an  Tanninen hat, spürbar, aber nicht aufdringlich, wird er oft als "griffig" beschrieben. Wenn Tannine als "grün" beschrieben werden, sind sie leicht bitter und haben eine unangenehme Adstringenz. "Feine" Tannine hingegen sind sehr feinkörnig in der Textur, auffallend, aber angenehm.

 

Ein weiteres wichtiges Merkmal ist der Unterschied zwischen Bitterkeit und Adstringenz. Die Bitterkeit bezieht sich auf den Geschmack, während die Adstringenz sich auf die taktile Empfindung bezieht. Wenn Sie einen Wein beschreiben, stellen Sie diese Fragen: Breiten sich die Tannine sofort im Mund aus oder treten sie nur langsam auf? Dominieren sie den Wein, oder werden sie von Frische und Frucht begleitet? Sind sie harmonisch und sanft, oder kräftig und herb?

 

Wie funktionieren Tannine?

Während Tannin ein Sammelbegriff für verschiedene phenolische Verbindungen ist, haben alle Tannine eines gemeinsam: sie binden und Âräzipitieren Proteine, d.h. sie trennen sie voneinander. Doch was bedeutet das für den Weintrinker?

 

Der menschliche Speichel ist voll von Proteinen, das macht ihn so glitschig. Ein tanninhaltiger Rotwein bindet sich an den Speichel - dadurch fühlt sich der Mund trocken an. Diese eiweißbindende Eigenschaft wird oft als Grund dafür angeführt, warum Rotwein und Steak so gut zusammenpassen, obwohl dies auch damit zu tun hat, wie die Adstringenz des Weins der Fettigkeit des Fleisches entgegenwirkt.

 

Verschiedene Trauben, verschiedene Klimazonen, verschiedene Tannine.

Einige Rebsorten enthalten mehr Tannine als andere. Beispiele, die wirklich tanninhaltige Weine hervorbringen können, sind Cabernet Sauvignon, Nebbiolo, Mourvèdre, Malbec, Tannat, Syrah/Shiraz, Tempranillo, Merlot und Sangiovese. Ob die Weinbereitungstechnik die Extraktion der Tannine fördert, ist eine Frage des Stils. Weine aus Trauben wie Pinot Noir, Gamay und Grenache, die viel dünnere Traubenschalen haben, enthalten viel weniger Tannine.

 

Während die Rebsorte eine gute Vorstellung über die Tannin Konzentration in einem Wein geben kann, spielt auch die Reife eine Rolle. Ein gutes Beispiel ist Syrah/Shiraz. Er ist sehr tanninhaltig, was sich allerdigs je nach Klima und Jahrgang unterschiedlich äußert.

 

Ein heißes Klima wie im australischen Barossa bringt Shiraz-Trauben hervor, die superreif sind und die Tannine besonders weich, saftig und abrundend machen. Im milden Norden der Rhône hingegen, wirken die Tannine strukturierter, trockener und kantiger. Die Tannin Struktur der Cabernet-Sauvignon-Trauben aus dem französischen Bordeaux unterscheidet sich bei wärmeren und kühleren Jahrgängen. Auch die Extraktion bei der  Weinbereitung spielt eine große Rolle.

 

Helfen Tannine einem Wein zu altern?

Obwohl oft gesagt wird, dass Tannine einem Wein zum Altern verhelfen, erreichen viele Weißweine auch ohne Tannin ein prächtiges Alter. Bei Rotwein jedoch, ändert sich das Mundgefühl mit der Reifung des Weins. Anfänglich sind die in einem Wein ausgelaugten Tannine kleinere Moleküle. Mit der Zeit beginnen sich diese Tannine zu verbinden und größere Ketten zu bilden - ein Prozess, der Polymerisation genannt wird. Eine Theorie besagt, dass dieser Alterungsprozess die reaktive Oberfläche der Tannine verringert, was zu einem weicheren Mundgefühl führt. Die Tanninketten werden so lang, dass sie aus der Suspension herausfallen, was in einigen Flaschen zur Ablagerung führt.

 

Es ist nicht klar, ob diese Reaktion das Einzige ist, was gealterten Wein weniger adstringierend macht. In jedem Fall werden reife Weine oft als Weine mit "aufgelösten" Tanninen beschrieben, die weich, geschmeidig und nicht mehr adstringierend sind. Wenn ein Rotwein jedoch von Anfang an eine harte, bittere und unausgewogene Tannin Struktur aufweist, werden diese selbst durch die Alterung nicht ausgeglichen.

 

Pigéage in Aktion

 

Die Wirkung von Mazerations- und Gärungsmethoden.

Die Mazerationszeit, d.h. die Zeit, die Rotwein während der Weinbereitung in Kontakt mit seiner Schale verbringt, hat einen wichtigen Einfluss. Eine kürzere Mazeration lässt weniger Zeit für das Auslaugen von Tanninen und Farbe in den Wein während der Gärung. Roséweine

zum Beispiel haben eine kurze Mazerationszeit, was zu minimaler Farbe und wenig bis gar keinem Tannin führt. Mit fortschreitender Gärung werden mehr Tannine ausgelaugt, da der entstehende Alkohol beginnt, als Lösungsmittel zu wirken.

 

Einige Winzer verwenden auch Traubenstiele, um Weinen wie Pinot Noir und Syrah Struktur zu verleihen. Das bedeutet, dass die gesamte Traube in den Gärbottich gelangt. Dies wird als Ganztraubenvergärung bezeichnet.

 

Auch Winzer können bei diesem Prozess helfen. Die Pigéage, oder Punch-down, ist eine sehr schonende Extraktionstechnik, bei der der Winzer, die während der Gärung nach oben steigenden Traubenschalen, vorsichtig in den Most zurückschiebt. Einige Weingüter verfügen über Tanks mit inneren Gittern, die die aufsteigenden Traubenschalen unter Wasser halten.

 

Die Remontage oder das Umpumpen bietet eine etwas effektivere Extraktion. Die Flüssigkeit am Boden des Gärbehälters wird abgezogen und über die Traubenschalen zurückgepumpt. Bei der Délestage, oder Rélestage, wird die Flüssigkeit des Gärbottichs von den Feststoffen getrennt und in einer Bewegung wieder auf die Traubenschalen gegossen. Einige Weingüter haben auch sogenannte Rotofermenter, die wie riesige, von vorne beladbaren Wasch-maschinen aussehen und sich drehen. Die Bewegung hilft, sowohl Tannin als auch Farbe zu extrahieren.

 

Holzfässer verfügen über eine eigene Art von Tanninen.

 

Das Keltern von Wein und die Auswirkungen der Eiche.

Nach Abschluss der Gärung wird der Rotwein gepresst, wodurch die Flüssigkeit von den Feststoffen getrennt wird. Einige Winzer pressen zur besseren Kontrolle in verschiedenen Ladungen bei unterschiedlichem Druck, wobei die Ladungen unter dem höchsten Druck die tanninreichsten sind. Die Verwendung einer Vielzahl von Weinen mit unterschiedlichem Grad der Tanninextraktion ermöglicht es dem Winzer, eine bestimmte Zusammensetzung zu erzielen, die über zahlreiche Jahrgänge hinweg konsistent ist.

 

Die besten Winzer stützen das Tanninmanagement auf eine Vielzahl von Faktoren, zu denen die Reife der Trauben, ihre Schalen und der gewünschte Weinstil gehören.

 

Wenn frisch fermentierter Wein in neuen Eichenfässern reift, werden die Tannine aus dem Holz in den Wein extrahiert. Dies erfordert einen Wein mit genügend Volumen und Kraft, damit er nicht von den eicheneigenen Tanninen überwältigt wird. Ein gutes Tannin-Management vermeidet Säure oder Bitterkeit, die entstehen, wenn die Trauben nicht reif genug sind oder übermäßig extrahiert werden.

 

Enthalten Weißweine auch Tannine, und was ist mit „Orange wine“?

Einige Weißweine durchlaufen eine kurze Mazerationsphase. Frisch geerntete Trauben werden gequetscht und für einige Stunden oder länger in der Schale belassen, bevor sie zu gären beginnen. Dadurch werden die Aromen aus den Traubenschalen herausgelöst - eine gängige Praxis bei aromatischen und halb-aromatischen Trauben wie Gewürztraminer und Riesling.

 

In letzter Zeit sieht man auch immer mehr „Orange wines“. Das sind bernsteinfarbene Weine, hergestellt aus hellen Trauben, die aber wie Rotweine mit vollem Schalenkontakt gekeltert werden. Diese Weine haben ein tanninhaltiges Aroma, wenn auch nicht so stark, wie es bei Rotweinen werden kann.

 

Was ist mit den Tanninen in Schaumweinen?

Die Bläschen in Schaumweinen wirken wie Millionen kleiner Vergrößerungsgläser, die jeden Aspekt des Weins hervorheben. Da diese Bläschen ein strukturierendes Element darstellen und in der Flasche gegorene Weine auch eine Textur haben, die durch die Alterung auf Hefe entsteht, wirkt eine zusätzliche Textur durch Tannine in der Regel bitter, und die Bläschen würden die Adstringenz noch verstärken.

 

Deshalb ist das Pressverfahren für hochwertigen Schaumwein von entscheidender Bedeutung. Die sehr wenigen roten Schaumweine, die es gibt, wie der prickelnde Shiraz oder Lambrusco, wirken der Bitterkeit mit ein wenig Süße entgegen. Der Wein schmeckt immer noch trocken, aber ein Hauch (oder manchmal auch mehr) von Zucker nimmt ihm die Schärfe.

ANNE KREBIEHL MW / @AnneInVino / WineEnthusiast

Weinrezession aus Österreich, dem Elsass und England.

Illustration - Matthew Dimas / Fotografien - Getty

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