[ PORTRÄT ]
Sommelier // Kanada
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Begegnung mit Hugo Duchesne
"Als Sommelier setzt man alles daran, die Emotionen zu vermitteln, die ein Winzer mit seinem Wein auszudrücken versucht."
Mitten in der Essenszeit haben wir Hugo Duchesne in seinem Refugium, dem Weinkeller, getroffen. Nachdem ihm die Titel „Bester Sommelier Québecs“ und „Zweitbester Sommelier Amerikas“ verliehen wurden, macht Hugo die Risikobereitschaft weiterhin zu seinem Credo und sucht ständig Herausforderungen, die eher auf seiner Bescheidenheit beruhen als dem Streben nach Lorbeeren.
Von den Anfängen seiner Faszination für Wein bis zu seinem EuroCave-Weinklimaschrank, der eine ganze Welt enthält, treffen wir einen Sommelier, dessen Worte man gerne in sich aufsaugt, aber nicht nur die Worte.
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Aha-Erlebnis mit Wein?
HUGO DUCHESNE
Es ist immer lustig, wenn ich mich an das erste Mal erinnere, denn als ich jung war, mochte ich Wein überhaupt nicht. Ich mochte weder seinen Geruch noch alles, was nach Essig schmeckte. Wie es der Zufall wollte, arbeitete ich während meines Studiums in einer Käserei auf dem Markt Jean-Talon in Montreal, einem großartigen Ort voller Gemüsebauern, Metzger und Bäcker. Der Besitzer der Käserei war leidenschaftlicher Weinliebhaber und -sammler. An sonnigen Arbeitstagen pflegte er uns ein Glas Gevrey-Chambertin oder Châteauneuf-du-Pape einzuschenken und dabei zu sagen: „Ich will euch nicht beeindrucken, darum geht es nicht, aber ihr seid in der Lage, diese Weine zu schätzen.“ Dieser von Demut geprägte Satz hat den Beginn meines Interesses für Wein eingeläutet.
Ich habe Wein erst richtig schätzen und lieben gelernt, als ich versuchte, ihn zu verstehen.
Wie sind Sie von der Lust am Probieren großer Weine zum Beruf des Sommeliers gekommen?
HUGO DUCHESNE
Ich habe Wein erst richtig schätzen und lieben gelernt, als ich versuchte, ihn zu verstehen. Da habe ich gemerkt, dass hier ein Anfang lag und es vielleicht nie ein Ende geben würde. Mit dem Team der Käserei gingen wir manchmal zusammen essen, und Wein spielte dabei eine wichtige Rolle. Der Sommelier kam an unseren Tisch, brachte die Weinkarte und diskutierte mit den Gästen. Damals begann ich, die Weinkarte zu lesen, Regionen, Appellationen und Jahrgänge zu verstehen... Es war, als würde man Orte und Plätze durch eine Flasche entdecken. Plötzlich wurde der Beruf des Sommeliers für mich zu einer Brücke zwischen dem Produkt und der Gastlichkeit. Das war einfach großartig!
Ohne eine gute kommunikative Fähigkeit ist es unmöglich, die Emotionen zu vermitteln, die ein Winzer mit seinem Wein auszudrücken versucht.
Sie sind also vor allem empfänglich für den Diskurs, für die Macht der Worte, die im Einklang mit Ihrer literarischen Ausbildung steht?
HUGO DUCHESNE
Genau, denn tatsächlich beruht der Beruf des Sommeliers sehr stark auf Kommunikation. Ohne eine gute kommunikative Fähigkeit ist es unmöglich, die Emotionen zu vermitteln, die ein Winzer mit seinem Wein auszudrücken versucht. Während meines Literaturstudiums half das Lesen und Analysieren von Texten dabei, die Absichten der Autoren und die historischen Zusammenhänge zu verstehen. Ähnlich verhält es sich beim Wein: Man muss sich erinnern und auf die Wörter achten, die ein Vokabular bilden, das reich an Aromen und Empfindungen ist. Um Zugang zu einem Wein zu schaffen, muss man das Thema perfekt beherrschen und allzu komplexe oder abgehobene Metaphern vermeiden. Wenn ich mit Gästen über einen Wein spreche, beschwöre ich Aromen, Orte und Strukturen mit gemeinsamen, alltäglichen Bezugspunkten herauf. Dabei benutze ich die Worte meiner Gäste und schaffe so eine gemeinsame Sprache. Dieser Ansatz spiegelt die Offenheit und die Weinkultur in Québec wider.
Wenn ich mit Gästen über einen Wein spreche, benutze ich ihre Worte, um eine gemeinsame Sprache zu schaffen.
Wie sieht denn diese Weinkultur in Québec aus?
HUGO DUCHESNE
Die Provinz Québec ist ein sehr kleiner Weinproduzent, aber gerade das ist fantastisch, denn dadurch wird das Québec zu einer Region, die offen ist für die Entdeckung der Welt der Weine, ohne Chauvinismus oder Vorurteile. Die staatlichen Geschäfte der Alkoholgesellschaft des Québec SAQ (Société des Alcools du Québec) ermöglichen es insbesondere Weinprofis, auf ein breites Angebot zuzugreifen und an sehr guten Wein zu kommen. Winzerchampagner, Spitzenweine aus Österreich, Weine aus der Region McLaren in Australien und vieles mehr. Heute streben wir sowohl nach Qualität mit säurebetonten Weinen als auch nach Originalität mit Weinen, die aus wenig bekannten Regionen stammen oder mit ausgefallenen Weinbereitungsmethoden, wie z. B. Mazerationsweine, hergestellt werden. Die Entdeckungsreise geht in alle Richtungen!
Spiegelt sich diese Vielfalt an Weinen auch in Ihrem EuroCave wieder?
HUGO DUCHESNE
Es besteht ein Unterschied zwischen den Weinen, die ich kaufe, um dem Geschmack der Gäste mit den Standards der Weinkarten entgegenzukommen, und den Weinen, die ich zu Hause trinke. Ich persönlich erkunde gerne ein sehr vielfältiges Spektrum, das vom Rhône-Tal über Barolo bis zum Priorat in Spanien reicht. Es ist, als hätte ich die ganze Welt an einem Ort versammelt. Burgund, Piemont, Australien, Österreich - alle Rebsorten, alle Jahrgänge, alle Flaschen vereint, das ist fantastisch. Im Restaurant, zur Essenszeit oder wenn wir eine kleine Pause einlegen wollten, war das Betreten des Weinkellers ein Moment der Ruhe und Frische, eine Auszeit von den Geräuschen der Außenwelt, ein echtes Refugium.
My EuroCave is like having the entire world in a single place.
Ihnen wurden die Titel „Bester Sommelier Québecs“ und „Zweitbester Sommelier Amerikas“ verliehen. Was ist der nächste Schritt für Sie?
HUGO DUCHESNE
Zurzeit absolviere ich amerikanische und englische Qualifikationen und strebe den Titel Master Sommelier (entspricht dem Master of Wine) an. Es ist auch wahrscheinlich, dass ich wieder am Wettbewerb „Bester Sommelier Kanadas“ teilnehmen werde, wenn ich am Tag des Wettbewerbs im November 2026 nichts anderes vorhabe! In diesem Beruf die Spitze zu erreichen, bedeutet für mich auch, Risiken einzugehen. Mir ist die letzte Frage des Wettbewerbs sehr wichtig, die die ganze Gastfreundlichkeit unseres Berufs widerspiegelt: „Würden Sie gerne von diesem Sommelier oder dieser Sommelière bedient werden?“ Auch wenn es schwieriger ist, sich auf der Bühne vor einer Jury ungezwungen zu verhalten als in einem Restaurant vor Gästen!
Bereichern Sie das Erlebnis
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