[ PORTRAIT ]
Schweden // Modedesignerin
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Begegnung mit Maxjenny Forslund
"Meine Kleider müssen sich einem Körper anschmiegen - Weine müssen sich einem Gaumen anpassen."
Die Modedesignerin Maxjenny Forslund, die andauernd zwischen Stockholm und Kopenhagen hin- und herpendelt, entwirft extravagante und hypnotische Outfits. Ihr Markenzeichen sind wagemutige Textilien, die schon Madonna und Victoria, Kronprinzessin von Schweden, gekleidet haben.
Da sie bei ihren Kreationen genauso präzise ist wie bei der Auswahl ihrer Weine, sieht sie viele Parallelen zwischen ihrem Designprozess und dem Prozess der Weinherstellung. Bei beiden Prozessen geht es darum, hart zu arbeiten und sich an viele Parameter anzupassen, um ein harmonisches und dauerhaftes Ergebnis zu erzielen.
Sie ist mit Weinen von Petrus, Château d'Yquem und Mouton Rothschild aufgewachsen und hat sich jetzt auf eine Suche nach Weinen begeben, die eher als „Außenseiter“ bezeichnet werden können. Wir haben sie in einer Bar getroffen, um mit ihr über den Charakter von Wein, Kreativität und die unbezwingbare Pflicht gesprochen, ein Wagnis einzugehen, koste es, was es wolle.
Was hat Ihr Interesse an Wein geweckt?
MAXJENNY FORSLUND
Der Mann meiner Mutter hatte einen großen Weinkeller mit Weinen von Weingütern wie Petrus, Château d'Yquem, Sassicaia, Mouton Rothschild usw. Das waren die Weine, mit denen ich groß geworden bin. Der Mann meiner Mutter war ein großer Weinkenner und ich habe viel von ihm gelernt. Nicht, dass ich die Weine getrunken hätte – ich war damals noch nicht einmal in der Pubertät – aber ich hatte die Gelegenheit, die Weine zu schnuppern, und das fand ich schon sehr spannend. Doch spannend war eigentlich vor allem die Art, wie er mir die Weine beschrieb, dass sie nach Pferdehintern oder Waldboden rochen (Lachen)! Um ehrlich zu sein, sind das nicht die Weine, die ich heute trinke. Mir einen gut gereiften Mouton Rothschild einzuschenken, das wäre wie Perlen vor die Säue.
Was haben Sie denn am liebsten in Ihrem Glas?
MAXJENNY FORSLUND
Mich sprechen eher Weißweine, Grauburgunder und Crémant-Weine an - leicht provokative Weine, wenn man das so sagen kann. In Kopenhagen trinken wir mehr Crémant als in Schweden. Die Freiheit in puncto Alkohol ist in Dänemark viel größer, und ich schätze diese große Vielfalt an Weinstilen, die ich hier bekomme (In Schweden hat der Staat das Monopol auf den Verkauf von Alkohol, Anm. d. Red.). Ich bevorzuge eher elegante Weine, die den Fokus auf die Mineralität legen, oder körperreiche Chardonnays, bei denen der Kiefer kribbelt und die viel Komplexität bieten. Kurz und gut, ich trinke einfach das, was Spaß macht und Genuss verspricht! Vor kurzem habe ich zum Beispiel einen hervorragenden Wein aus Rumänien probiert.
Ich trinke einfach das, was Spaß macht und Genuss verspricht!
Wo finden Sie Ihre leckeren Weine?
MAXJENNY FORSLUND
In Kopenhagen gibt es viele gute Bars und Weinkeller. Zu meinen Lieblingslokalen gehört das Rosforth & Rosforth unter der Knippelsbro-Brücke. Früher konnte man einfach hineingehen und sich einen kleinen Schwips antrinken ... Ich treibe mich viel im Stadtteil Vesterbro östlich des Stadtzentrums herum, wo sich die Weinbar Enghave Plads 9 mit ihrem lockeren Ambiente befindet. Ich teile meine Zeit zwischen Stockholm und Kopenhagen und ich muss sagen, dass in Stockholm der Naturwein zu hip geworden ist, zu snobistisch! Kopenhagen ist viel offener und entspannter, was Wein anbelangt. Natürlich mag ich auch Naturwein, solange er nicht zu verstörend ist.
Sie waren Möbeldesignerin, bevor Sie eine Ausbildung zur Modedesignerin absolviert haben. Dann hat Ihre Karriere einen Sprung gemacht, als Kronprinzessin Victoria Ihre Kleider trug und später auch Madonna. Wie kam es dazu?
MAXJENNY FORSLUND
Ich war noch in der Designschule und hatte eine Kollektion entworfen, die in der Zeitschrift Femina veröffentlicht wurde. Per Mundpropaganda sind meine Designideen bis zu Madonna vorgedrungen, der einige Stücke gefallen haben und die sie in ihrem Clip „Sorry“ getragen hat!
Kreativität macht einen großen Teil Ihres Berufs aus. Sehen Sie Parallelen zwischen Ihren Kreationen und den Weinen, die Sie mögen?
MAXJENNY FORSLUND
Auf jeden Fall. Es geht in beiden Fällen um Fantasie, um die Verwandlung dessen, was vor einem liegt. Ich habe weiße Stoffe, die Winzer haben Trauben. Die Weinherstellung ist ein Prozess, der zu Harmonie im Glas führen soll. Die Winzer arbeiten mit dem Boden, der Frucht und vor allem mit der Zeit. Ich hingegen verwende Zeit, Stoffe, Formen und Farbe. Meine Kleider müssen sich einem Körper anschmiegen – Weine müssen sich einem Gaumen anpassen.
Kreativität beruht Ihrer Meinung nach also auf dem geschickten Einsatz dessen, was man zur Hand hat. Letztendlich ist es eine Teamarbeit zwischen Material und Mensch. Wie nehmen Sie diesen kreativen Prozess wahr?
MAXJENNY FORSLUND
Meine Kollektionen sind nicht in der „Fast Fashion“ zu Hause. Meine Kleider entwickeln sich langsam im Laufe der Zeit, ich bin reaktiv, passe mich an die Kundschaft und sogar an das Wetter an.
Ich fühle mich eher zu Weinen hingezogen, die ein bisschen gewagt sind, wenn man das so sagen kann.
Um auf den Vergleich mit Naturweinen zurückzukommen: Hinter diesen Weinen steckt die Idee, dass sie die Trauben und den Ort so genau wie möglich widerspiegeln sollen. Das setzt voraus, dass der Winzer weiß, was er tut, und sich dem Weg, den der Wein nimmt, anpasst.
MAXJENNY FORSLUND
„Funky“-Weine, so schräg wie möglich, liegen im Trend. Für mich ist das wie ein Modedesigner, der nicht weiß, was er tut; jemand, der denkt, dass alle Frauen 1,80 m groß sind und Kleidergröße 36 tragen. Das entspricht nicht der Realität. Es ist schade, dass diese Vorstellung in die Welt des Naturweins eingedrungen ist, denn einige der auf diese Weise hergestellten Weine können wirklich hervorragend sein. Meine Erfahrung ist, dass Naturweine früher wertbeständiger waren, aber heute ficht niemand mehr die Fehler an. Ich stelle das auch in meinem Bereich fest - wenn ein berühmter Designer etwas entwirft, das nicht gut ist, traut sich niemand, etwas zu sagen. Das ist ein bisschen wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“!
Ihre Wein(aus)bildung ist faszinierend. Sie haben ganz oben angefangen, mit Petrus und Co. Aber schätzen Sie heute auch andere Weine?
MAXJENNY FORSLUND
Für mich persönlich hat die Begeisterung für Weine, die 700 € die Flasche kosten, nachgelassen. Ich mag immer noch traditionelle Weine, aber mehr die exzentrischen, die aus kleinen, unkonventionellen Weinbergen stammen. Wie die Weine aus Lanzarote oder aus Sizilien - von den Viola-Brüdern zum Beispiel. Es gibt so viele Konventionen in der Weinwelt, daher fühle ich mich zu den Weinen hingezogen, die versuchen, sich von diesen Konventionen zu lösen und sich durchzusetzen - vielleicht deshalb, weil ich selbst ein bisschen wie diese Weine bin!
Es gibt so viele Konventionen in der Weinwelt, ich fühle mich zu Weinen hingezogen, die versuchen, sich von diesen Konventionen zu lösen und sich durchzusetzen.
Haben Sie, wenn Sie reisen, ein Lieblingsziel, um guten Wein zu trinken?
MAXJENNY FORSLUND
Wenn ich nicht für meine Arbeit reise, möchte ich meine Zeit nicht verschwenden, sondern dorthin gehen, wo es gutes Essen und guten Wein gibt. Und ich lasse mich gerne überraschen, also würde ich sagen: Istanbul. Istanbul hat zwar einen starken Pariser Touch, ist aber angenehmer, kreativer ... Und erschwinglich! Die türkischen Weine sind tatsächlich sehr gut, und auch wenn ich eigentlich kein Fan der türkischen Küche bin, schätze ich die Raffinesse der osmanischen Küche. Zu einem meiner Lieblingsorte in Istanbul gehört das Restaurant Nicole.
Wenn Sie Ihre Kleidung wie einen Wein beschreiben müssten, wie würde diese Kleidung aussehen?
MAXJENNY FORSLUND
Wie „Supertoskaner“! Ich habe viel über diese Weine gelesen, viele dieser Weine getrunken und fühle mich diesen Weinbauern aus der Toskana sehr verbunden. Sie haben es gewagt, mit Traditionen, Konventionen und den DOC-Bestimmungen zu brechen und Weine aus neuen, internationalen Rebsorten zu keltern. Sie waren offen, innovativ und modern. Anfangs waren sie nicht gern gesehen, aber aufgeben war nie eine Option, und heute werden ihre Weine im Weinbaugebiet Bolgheri DOC akzeptiert. Bei mir war es auch ein bisschen so. Am Anfang kannte mich niemand in Stockholm, was mir mehr Freiraum gegeben hat, etwas Neues zu wagen, denn meine erste Ausbildung war die zur Möbeldesignerin. Zu Hause reden wir viel über Wein und kommen dabei oft auf André Ostertag zu sprechen. Er war so etwas wie ein „Outsider“ (Er hat Eichenfässer für den Ausbau von Weißburgunder im Elsass eingeführt, eine Neuerung, der unterschiedlich starker Widerstand entgegenschlug, Anm. d. Ü.). Wir sind alle irgendwie Rebellen in unseren verschiedenen Bereichen. Koste es, was es wolle, man muss etwas wagen.
Wir sind alle irgendwie Rebellen in unseren verschiedenen Bereichen.
Artikel - Lena Särnholm
Sie arbeitet seit ihrer Jugend als Journalistin und begann Ihre Karriere als Nachrichtenreporterin. Dem Pferdemagazin Ridsport war sie mehr als 20 Jahre lang als Redakteurin treu. Dann gewann ihr Interesse für Wein die Oberhand. Lena Särnholm hat an der Schwedischen Gastronomie-Akademie Särnholm das Fach Sommelière studiert und arbeitet als freie Mitarbeiterin in den Bereichen Wein und Pferdesport. Sie schreibt hauptsächlich für das Weinmagazin Törst, Star Wine List und In Vino und arbeitet als Teilzeitkraft in einer Weinbar in Stockholm Sie nimmt regelmäßig an Weinlesen teil, hauptsächlich in der Loire-Region. Sie ist die schwedische Botschafterin für PIWI International.
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