[ PORTRÄTS ]
Patissier // Frankreich
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Begegnung mit Pierre Hermé
"Bei der Verkostung eines Gewürztraminers habe ich Aromen von Rosen und Litschi entdeckt. Deshalb habe ich Litschi in das Rezept für den Macaron Ispahan eingearbeitet."
Der Wahlpariser Pierre Hermé wurde 2016 zum besten Patissier der Welt gekürt und hat seit der Gründung seines Hauses vor 25 Jahren mehrere Generationen von Schleckermäulern beeinflusst. Er ist aber auch ein großer Weinliebhaber. Der Beweis in einigen Fragen.
Sie haben den Ruf, ein großer Weinliebhaber zu sein ...
PIERRE HERMÉ
Valérie, meine Frau, sagt manchmal scherzhaft zu mir:
„Ich frage mich, ob du Wein nicht Gebäck vorziehst!“
Aber in jedem Witz steckt ein Körnchen Wahrheit! Wie wurde denn in Ihrem Fall diese Leidenschaft geboren?
PIERRE HERMÉ
In meiner Familie haben wir, wie in jeder guten elsässischen Familie, eine Weinkultur, ich habe sogar einen Onkel, der Winzer ist. Aber mir fehlte das Wissen. Also habe ich mich mit achtzehn Jahren, während meiner Ausbildung bei Lenôtre, mit einem Freund zusammen für einen Abendkurs angemeldet, um etwas über Wein zu lernen. Das war damals viel Geld für uns, aber wir waren begeisterte Weinliebhaber. Zwei Jahre lang habe ich alles über die Geschichte der Weinregionen, die Rebsorten und die Weinverkostung gelernt. Das hat mir geholfen, meine Geschmackserlebnisse zu benennen. In der Welt des Weins gibt es eine Fülle von Begriffen, einen Sinn für Analyse, der mir in meinem Beruf geholfen hat. Im Konditorhandwerk lernte man damals, wie man etwas macht, aber nicht, wie man darüber spricht. Jetzt finde ich die richtigen Worte, aber der Weg war lang, es hat dreißig oder vierzig Jahre gedauert. Und weil ich bei einer Blindverkostung natürlich auch mal daneben liege, hat mich der Wein auch Bescheidenheit gelehrt.
In der Welt des Weins gibt es eine Fülle von Begriffen, einen Sinn für Analyse, der mir in meinem Beruf geholfen hat. Im Konditorhandwerk lernte man damals, wie man etwas macht, aber nicht, wie man darüber spricht.
Welchen Stellenwert hat Wein in Ihrem Leben?
PIERRE HERMÉ
Ich habe schon immer Wein gekauft. Aber ich habe noch nie eine Flasche weiterverkauft. Ich finde es absurd, Etiketten zu kaufen, das entspricht nicht dem Wesen des Weins. Wein darf nicht zur Spekulationsware werden, das ist unnatürlich. Ich habe einen unterirdischen Keller mit etwas mehr als 2000 Flaschen und einen Schrank, einen sogenannten „Tageskeller“ mit 150 Flaschen. Ich stelle für meinen Sohn Adrien Weinkisten zusammen und wir tauschen unser Wissen über Wein aus. Ich verkoste Wein nie allein, sondern immer mit Freunden. Wenn wir ausgehen und ich nicht trinke, weiß meine Frau, dass der Wein nicht gut ist. Ich gehe zum Beispiel in kein Restaurant, von dem ich weiß, dass die Weinkarte uninteressant ist. Und davon gibt es eine ganze Menge!
Ich habe einen unterirdischen Keller mit etwas mehr als 2000 Flaschen und einen Schrank, einen sogenannten „Tageskeller“ mit 150 Flaschen.
Wie wählen Sie Wein aus?
PIERRE HERMÉ
Mein Weinkeller besteht hauptsächlich aus Weinen, die von Leuten gemacht wurden, die ich kenne, die ich schon besucht habe und mit denen ich eine Beziehung aufgebaut habe. Begegnung und Austausch, das ist es, was mich am Wein interessiert. Zu meinen jüngsten Entdeckungen gehören zum Beispiel die Muscadet-Weine von Jérôme Bretaudeau, in einer Appellation, die ich eigentlich nicht besonders mag. Aber er macht so gute Weine, dass ich ihn gerne kennenlernen würde. Im Konditoreiwesen ist es dasselbe. Wir versuchen immer, die Leute kennenzulernen, deren Produkte wir verwenden, das hat bei uns sogar System. Für Schokolade, Mandeln, Haselnüsse, Kaffee, Butter, Sahne usw. Wir stehen den Lieferanten sehr nahe, das sind echte Partner für uns, wir haben nicht einfach nur eine Geschäftsbeziehung. Diese Nähe hilft auch bei der Überwindung von Krisenzeiten, Knappheit oder Inflation.
Der Winzer Jean-Louis Chave hat einen besonderen Platz in Ihrem Weinliebhaberherz. Warum?
PIERRE HERMÉ
1993 ist der erste Jahrgang, den ich bei ihm gekauft habe. Seitdem erhalte ich eine sehr kleine Zuteilung, die sich nicht verändert hat. So konnte ich diesen Wein bei unserer Hochzeit mit Valerie 2017 ausschenken. Jean-Louis und seine Frau sind großartige Menschen, einfach, bescheiden und freundlich. Sie machen geduldige Weine, auf die man eine Weile warten muss. Ich habe kürzlich Weißweine aus dem Jahr 1998 probiert, eine bemerkenswerte Erfahrung, sehr entwicklungsfähige Weine. Die haben noch etwas in Reserve!
Mein Weinkeller besteht hauptsächlich aus Weinen, die von Leuten gemacht wurden, die ich kenne, die ich schon besucht habe und mit denen ich eine Beziehung aufgebaut habe.
Können Sie uns einige Ihrer Lieblinge nennen?
PIERRE HERMÉ
Da gibt es so einige. Die Weine von Albert Mann, Philippe Pacalet, Jean Foillard, Emmanuel Houillon (MPierre Overnoy), Eric Pfifferling (Domaine de l'Anglore), dessen Tavel einer der wenigen Roséweine ist, die ich trinke. Ich könnte auch den Roc d'Anglade, die Grange des Pères, den Clos Rougeard oder die Domaine Valette im Mâconnais nennen. Ich mag auch Schaumweine, die Champagner von Suenen, die ich mit den Freunden der Vereinigung Relais Desserts wiederentdeckt habe, und ich habe eine besondere Vorliebe für die Domaine Jacques Selosse. Natürlich habe ich eine große Schwäche für die Weine Korsikas, wo ich oft hinreise: Antoine Arena, über den ich zu den korsischen Weinen gekommen bin, Yves Canarelli (Clos Canarelli), Gérard Courrèges (Domaine de Vaccelli), Jacques Abbatucci (Domaine Comte Abbatucci), aber auch die Domaine de Saparale, die ich kürzlich besucht habe, oder die Domaine Zuria, ein junges Weingut in Bonifacio.
Sie haben keine Bordeaux-Weine genannt ...
PIERRE HERMÉ
Ich muss gestehen, dass ich selten Bordeaux-Weine trinke... Ich mag das Weingut Château Le Puy, aber auch das Château Belle Brise meines Freundes Henri-Bruno de Coincy, der auch den besten Armagnac herstellt, den ich je getrunken habe. Ich liebe auch das Château Montrose eines anderen Freundes, Olivier Bouygues, der übrigens seinen ersten Weißwein herausbringen wird.
Was halten Sie von Weinen aus anderen Teilen der Welt?
PIERRE HERMÉ
Ich kenne mich nur begrenzt mit nicht-französischen Weinen aus. Um ein Weinbaugebiet zu begreifen, muss man das Terroir, die Rebsorten und die Gesetzgebung u. v. m. kennen. Ich denke, man muss sich dem Wein durch Wissen nähern, sonst fehlen die Orientierungspunkte. Trotzdem möchte ich Marie-Thérèse Chappaz aus der Schweiz erwähnen, deren Cuvée Grain par Grain Petite Arvine mit großen Sauternes-Weinen mithalten kann.
Es grenzt für mich schon an Häresie, süße Weine zu Süßem zu servieren, da wir doch gerade versuchen, unseren Kuchen die Süße zu nehmen.
Verträgt sich Wein mit Konditorware?
PIERRE HERMÉ
Ich mag Wein, weil es Wein ist und Desserts, weil es Desserts sind. Ich stelle selten Weine und Speisen zusammen. Ich serviere auch selten „Dessertweine“, auch wenn ich sie ansonsten liebe und ein süßer Wein aus Sainte-Croix-du-Mont toll zu Mandelgebäck passt. Es grenzt für mich schon an Häresie, süße Weine zu Süßem zu servieren, da wir doch gerade versuchen, unseren Kuchen die Süße zu nehmen.
So ist Ihnen noch nie eine Idee für einen Kuchen gekommen?
PIERRE HERMÉ
Ein einziges Mal. Bei der Verkostung eines Gewürztraminers habe ich Aromen von Rosen und Litschi entdeckt. Deshalb habe ich Litschi in das Rezept für den Macaron Ispahan [Anm. d. R.: Pierre Hermés ikonischer Macaron aus Rosen, Himbeeren und Litschi, der 1997 für Ladurée kreiert wurde] eingearbeitet. Ach ja, ich habe auch einen Macaron mit in Don PX eingelegten Rosinen kreiert, einem bernsteinfarbenen natürlichen spanischen Süßwein aus der Sorte Pedro Ximenez. Wir haben auch gerade einen Baba mit dem Namen „Jardin de l'Atlas“ lanciert: Vanille, Zitrone, Orange, Honig, Orangenblüte - aber kein Rum. Das wird vielleicht die Baba-Puristen schockieren, aber der Kuchen ist sehr sehr lecker!
Bereichern Sie das Erlebnis
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